October 23, 2024

Zukunftsbild Pharmabranche: Welche Fachkräfte braucht es künftig?

In diesem Artikel schreiben wir über die Zukunft der Pharmaindustrie im Jahr 2024 und konzentrieren uns dabei auf Digitalisierung, KI, personalisierte Medizin und Innovationen in der Lieferkette.
Hannes Sommer
Founder & Managing Director Sinceritas Executive Search
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Die Pharmabranche steht weltweit und auch in Deutschland vor einem grundlegenden Wandel. Neue technologische Innovationen, sich fortwährend ändernde Regularien und eine wachsende Digitalisierung erfordern eine ausgeprägte Flexibilität. In einer Welt, die seit den 2020er Jahren mit BANI (in Ergänzung zu VUCA) als brüchig, non-linear und unverständlich bezeichnet wird, sind darüber hinaus alle Branchen gefragt, auf diese Umstände zu reagieren. 

Das wirkt sich auch auf die Fachkräfte aus, die zukünftig benötigt werden. Wie damit Mitarbeitende gebunden werden und das Interesse für zukünftige Generationen geweckt wird, soll hier erörtert werden. 

Wachstum und Herausforderungen für die Pharmaindustrie

2024 erwartet die Pharmaindustrie wieder ein Wachstum von 2,0% und auch neue Investitionen in Deutschland sind geplant, wie hier beschrieben wird. Die Pharmabranche ist damit in Deutschland ein zuverlässiger Wirtschaftsfaktor und es wird wieder durch internationale Pharmakonzerne investiert. Darüber hinaus werden 2024 auf dem europäischen Markt 40 neue Medikamente zugelassen. Deshalb schlussfolgert der Verband forschender Arzneimittelhersteller: Der Patentmarkt ist stabil!.

Dennoch gibt es einige Herausforderungen, die in Zukunft bewerkstelligt werden müssen. Einerseits werden Arzneimittelkosten vermehrt reguliert. Die EU will beispielsweise die Exklusivfrist für neue Medikamente von 10 auf 8 Jahre verkürzen wie das Managementberatungs - und Technologieunternehmen ZS berichtet. 
Außerdem werden mit der demographischen Veränderung auch die Beitragssätze für Gesundheitsausgaben verändert. Die Kosten für die wachsende ältere Bevölkerung steigen, ohne dass die junge Generation angemessen groß genug wäre, um das zu decken. 

Nun hat die Pharmaindustrie aber eine große Innovationskraft. Sie passt sich der wachsenden Digitalisierung in der Life Science Branche bereits mit vielen Maßnahmen an. Somit könnte man sagen, dass die Pharmabranche schon auf die oben genannten komplexeren Verhältnisse in der BANI-Welt mit größerer Flexibilität und neuen Netzwerken antwortet. Das tut sie zum Teil zwangsläufig, wie am Beispiel der Lieferketten sichtbar wird. 

Diversifizierung der Lieferketten  

Europaweit ist die Abhängigkeit von (unter anderem) China bei bestimmten Wirkstoffquellen für die Herstellung von zum Beispiel Antibiotika ein Grund, die Lieferketten zu diversifizieren. Politisch werden daher Gesetze vorgelegt, um Lieferengpässe zu bekämpfen. Bei Antibiotikaauschreibungen sollen beispielsweise erstmalig europäische Anbieter bevorzugt werden. In Deutschland gibt es dazu das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz. Auch europaweit gibt es Initiativen für eine  Diversifizierung der Lieferketten und die Stärkung der Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit.

Um mit der Volatilität der Lieferketten umzugehen, hat die Pharmabranche bereits einige Lösungen von Supply-Chain-Optimierung bis zu Ende-zu-Ende-Datenkollaboration. Ilse Henne schlägt in diesem Sinne Netzwerke vor, um die Lieferketten zukünftig noch besser zu schützen. Ein Faktor für diese Stabilisierung ist die Einbindung von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz (KI). Dies kann an verschiedenen Ebenen der Pharmabranche von der Forschung bis zur Produktion erfolgen. Relativ unbemerkt werden diese Techniken auch bereits angewandt und der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie e.V. schlussfolgert daher: Die Revolution ist in der Pharmaindustrie bereits Realität

Digitalisierung der Pharmaindustrie 

In der Arzneimittelforschung wird Künstliche Intelligenz also bereits eingesetzt und weiterhin ausgebaut. So benutzen Forscher:innen Suchalgorithmen, um bestimmte Baustoffe für Moleküle von Antibiotika zu finden. Hiermit können dann neue Wirkstoffe hergestellt werden. International gibt es schon viele Kooperationen, von Novartis mit Microsoft über Astra-Zeneca mit Nvidia, die gemeinsame Datenbanken mit Hilfe von Big Data und Data Analytics erschließen können. 

Auch für die Pharmakovigilanz, die Überwachung der Verträglichkeit von Arzneimitteln, kommt KI und maschinelles Lernen zum Einsatz. Hiermit wird eine personalisierte Medizin ermöglicht, die durch Genomsequenzierung des einzelnen Patienten eine Verträglichkeit vorhersagen kann. Dass der Umgang mit Gentechnik auch den Arzneimittelmarkt beeinflusst, ist spätestens mit der Zulassung des mRNA-Impfstoffes von BioNTech und Pfizer während der Covid-19-Pandemie aufgefallen. Während die Gendiagnostik schon seit Jahren auch in der Arzneimittelvergabe angewandt wird und im Gendiagnostikgesetz reguliert ist. 

Personalisierte Medizin 

Denn mit Genom-Sequenzierung kann die Verträglichkeit eines Medikamentes anhand von Vergleichsdaten gemessen werden. So kann auch präventiv eine individuelle Medikamentation durch Gendiagnostik verordnet werden. Die Pharmakogenetik beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Gene auf den Menschen und wird zukünftig einen wichtigen Stellenwert nicht nur in der Forschung sondern auch in der angewandten Medizin einnehmen. 

Hiermit können individuelle Therapien geschaffen werden. Das Problem des Datenschutzes ist aber gerade auf dieser personalisierten Ebene extrem wichtig. Denn auf einer Nanoskala kann der Einsatz von miniaturisierten Elektroden viel genauere Ergebnisse bei den Messungen von Medikamenten oder Körperfunktionen bieten. Hier ist die Gehirn-Computer-Schnittstelle erreicht, die mit Präzisionsmedizin (High Precision Medicine) auch den Weg für Manipulationen öffnen könnte. Schließlich gibt es ein großes Wachstum zum Gebrauch von Robotern in der Pharmaindustrie.

Bioinformatik und interdisziplinäre Teams

Die Bioinformatik, die auch als Masterstudiengang angeboten wird, kann helfen, Softwaretools und Computerprogramme für die genomischen Daten anzuwenden. Das reicht von der Analyse der Daten bis zu der Identifizierung von Zielmolekülen und schließlich der Optimierung und Vorhersage von Arzneimittelverträglichkeiten. Auch die Labormedizin und Robotik können durch diese Fachkräfte unterstützt werden. In jedem Fall ist es sinnvoll, IT-Fachkräfte mit dem Wissen um die spezifischen Anforderungen der Pharmaindustrie zu verbinden und umgekehrt, um der wachsenden Digitalisierung begegnen zu können. Auch ethische Fragen können von diesen Fachkräften unterstützt werden. 

Eine weiterer Punkt, der beachtet werden sollte, ist der Umgang mit solchen (zumeist älteren) Mitarbeitenden, die noch keine Digital Natives sind und mit einem neuen digitalen Mindset erst vertraut gemacht werden müssen. Dies kann von Fachkräften begleitet werden, die auch in IT bewandert sind und unterstützt damit auch die Generationenübergreifende Teamarbeit. Davon abgesehen, dass die Interdisziplinarität nicht nur die IT-Fachkräfte betrifft. In der universitären Forschung ist die Interdisziplinarität der Pharmazie schon sehr weit fortgeschritten, wie hier erwähnt wird. 

Das PharmaScienceHub, eine interessante Zusammenarbeit zwischen Universität und dem Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung, wurde in diesem Jahr eröffnet und soll die Wirkstoffforschung am Standort Saarland bündeln. 

Handlungsempfehlungen 

Um der kontinuierlichen Zunahme an Komplexität in der Pharmabranche zu begegnen, sollten auch die Fachkräfte möglichst flexibel sein. Das fängt schon mit dem Arbeitsort an, denn in Deutschland ist die Pharmaindustrie oft in Clustern (Bayern, Ruhrgebiet) angesiedelt. Die intergenerationelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern, wird auch die bestehende Belegschaft unterstützen. Denn traditionell arbeiten in der Pharmaindustrie verschiedenste Berufsgruppen zusammen. 
Dazu kommt eine Flexibilität, die die wachsende Digitalisierung betrifft. Hier lohnt es sich, eine Kommunikationsstruktur aufzubauen, die offen genug ist, alle Mitarbeitenden zu informieren und mögliche Unsicherheiten abzubauen. So könnte es auch gelingen, erfahrene Mitarbeitende zu Weiterbildungen in eine IT-Richtung zu bewegen und umgekehrt. 

In jedem Fall ist es von Vorteil, nach Fachkräften zu suchen, die sich über den großen Einfluss der Digitalisierung auf alle Prozesse in der Pharmabranche bewusst sind oder darin ausgebildet wurden. 

Fazit

Denn die kontinuierliche Entwicklung und Implementierung bioinformatischer Lösungen wird entscheidend sein, um den zukünftigen Anforderungen der modernen Medizin gerecht zu werden.
Die Herausforderungen in der Pharmakovigilanz, der Genomsequenzierung und den Lieferketten der Pharmaindustrie sind so vielfältig und komplex wie die globale Situation. Umso wichtiger ist es, möglichst flexibel zu reagieren und an allen wichtigen Punkten Netzwerke zu bilden. Sei es in der Diversifizierung der Lieferketten, der Kooperation zu Forschungszwecken oder der interdisziplinären Zusammenarbeit. Die Fachkräfte sollten mit IT vertraut sein oder ausgebildet werden und die Bedürfnisse der pharmazeutischen Seite kennen. 
Mit Weiterbildungen und mit der Schaffung eines Netzwerkes kann ein Unternehmen sehr interessant werden für zukünftige Bewerber:innen und schafft es gleichzeitig, die bestehenden Mitarbeitenden zu binden und für das Zukunftsbild Pharmabranche zu schulen.

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